Freitag, 21. November 2025

Buchrezension: Alice Hunter - Die Schwester des Serienkillers

Inhalt:

Nachdem sie viele Jahre mit ihrem Bruder Henry in einem Kinderheim verbracht hat, geht es Anna Price jetzt gut im Leben. Sie ist eine geachtete Lehrerin und führt ein perfektes Leben mit einem schönen Haus am Meer und einem treuen Ehemann, den sie liebt. Bis eines Tages DI Walker ihr mitteilt, dass ihr Bruder ein Serienmörder ist. Seine letzten Morde hat er an ganz bestimmten Tagen begangen, einer davon ist Annas Geburtstag. Keine zwei Tage entfernt. Die Polizei braucht Annas Hilfe, um Henry rechtzeitig zu fassen. Denn er spielt ein altes »Katz-und-Maus-Spiel« aus Kindertagen, das nur Anna kennt. Doch warum? Will er, dass sie ihn findet? Oder ist sie sein nächstes Opfer? 

Rezension:

Anna Price hat sich trotz ihrer traumatischen Kindheit, die sie nach dem Missbrauch durch ihre Eltern in einem Kinderheim verbracht hat, ein intaktes Leben mit einem liebenden Ehemann an ihrer Seite, ihrem Traumberuf als Lehrerin und einem Haus am Meer aufgebaut.
Doch als ein Polizist vor ihrer Tür steht, wird Anna von ihrer Vergangenheit, die sie erfolgreich zurückgedrängt hatte, eingeholt. Ihr Bruder Henry, zu dem sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat, soll ein gesuchter Serienmörder sein. Fünf Frauen habe er bereits auf dem Gewissen und aufgrund der Todesdaten, die er innerhalb der letzten drei Jahre für seine ausschließlich weiblichen Opfer gewählt hatte, scheint der nächste Mord unmittelbar bevorzustehen. Die Polizei hofft, dass Anna helfen kann, die nächste Tat zu verhindern und kann nicht ausschließen, dass Anna sein nächstes Opfer ist. Schon wenig später erhält Anna einen Umschlag mit einem Rätsel, das sich offensichtlich auf das Spiel bezieht, das Anna und Henry in ihrer Kindheit gespielt haben und außer Kontrolle geriet. Anna muss mitspielen, um zu verhindern, dass Henry ihr Geheimnis lüftet, das ihr Leben zerstören könnte.

"Die Schwester des Serienkillers" ist der dritte Band der Serienkiller-Reihe, der unabhängig von den zuvor erschienenen Büchern gelesen werden kann, da es sich um abgeschlossene Geschichten mit eigenen Charakteren handelt.

Der Roman handelt in der Gegenwart an nur vier Tagen im Mai, die den Countdown bis zum mutmaßlich letzten Mord des Serienkillers bilden. Daneben gibt es Rückblenden in die Vergangenheit, als Anna zusammen mit ihrem Bruder im Kinderheim Finley Hall untergebracht war und Henry immer unberechenbarer wurde. Ergänzend erhält man Einblicke in die Denkweise des Killers und die Durchführung seiner Taten, mit denen er auf makabre Weise die Nähe zu seiner Schwester herstellen möchte.

Obschon der Vergangenheitsstrang knapp gehalten ist, erhält man einen Eindruck davon, wie die Kinder von ihren eigenen Eltern vernachlässigt wurden und auch keine glücklichen Erfahrungen im Kinderheim gesammelt haben. Verunsicherung, Angst und Wut sind nachvollziehbar und geben eine Erklärung für Henrys krankes Spiel, mit dem er sich an seine Schwester klammert und sie gleichzeitig zurückweist. 

Die Gegenwart ist abwechslungsreich geschildert, auch wenn gar nicht viel passieren muss, um Annas Leben in ihren Grundfesten zu erschüttern. Beruflich und privat steht sie schon bald vor einem Scherbenhaufen, wobei fraglich ist, wie viel Einfluss ihr Bruder ausübt und was er letztlich bezwecken möchte. Das Geheimnis, das er und seine Schwester teilen, kann hingegen frühzeitig erahnt werden. 
In Bezug auf die Mordserie und die Ermittlungen von DI Walker bleiben viele Fragen offen und lassen die Geschichte konstruiert erscheinen. Auch gibt es nur in den letzten Kapiteln wirklich spannende Momente, wobei die lange Vorgeschichte für den Showdown nur bedingt nötig gewesen wäre. Der Clou im Epilog kommt wahrlich überraschend, lässt aber auch die gesamte Logik der Geschichte in Frage stellen.

Mittwoch, 19. November 2025

Buchrezension: Miriam Georg - Im Nordwind (Die Nordwind-Saga, Band 1)

Inhalt:

Hamburg, 1913. Es muss einen Ausweg geben! Alice wohnt im rauen Arbeiterviertel auf der Uhlenhorst, und ihr Ehemann Henk macht ihr das Leben zur Hölle. Der einzige Lichtblick: ihre Tochter Rosa. Als sie das Kind kaum noch vor Henk beschützen kann, wagt Alice das Unmögliche. Sie will diese Ehe beenden!
Nicht weit entfernt vom Elendsviertel lebt der Rechtsanwalt John Reeven in der Villa seiner alteingesessenen Familie. Die Geschäfte florieren, John ist standesgemäß verlobt. Aus guter hanseatischer Tradition berät er auch mittellose Hamburger in rechtlichen Fragen. Das Ansinnen dieser jungen Frau allerdings ist aussichtslos: Sie will sich von ihrem Ehemann trennen.
Wider jede Vernunft willigt er ein, sie zu vertreten. Aber das Wagnis birgt ein hohes Risiko. Für Alice steht alles auf dem Spiel. Und John ahnt nicht, wie sehr seine sichere Welt ins Wanken geraten wird. 

Rezension: 

Alice Bloom wohnt im Hamburger Arbeiterviertel Uhlenhorst und ist in einer Ehe mit einem gewalttätigen Ehemann gefangen. Als die Sorge um ihre Tochter Rosa zunimmt, gibt es für sie nur einen Ausweg: die Trennung von Henk. Doch eine Scheidung ist für eine Frau im Jahr 1913 fast unmöglich. Hilfe sucht sich Alice bei dem Anwalt John Reeven, der eine Sozialsprechstunde anbietet.
John entstammt einer angesehenen Hamburger Familie, die Inhaber einer Privatbank und der Holsten Brauerei ist. Als sein Vater erkrankt, muss er sich nicht nur um seine Kanzlei, sondern auch noch um die Brauerei kümmern, die sein Bruder Julius am liebsten verkaufen möchte. Zeit für seine Verlobte Evelyn bleibt dabei kaum. Pro bono übernimmt er das Mandat für Alice und kann dabei schon bald keine professionelle Distanz zu der mutigen Frau wahren, die ihm jedoch nicht die ganze Wahrheit über sich zu offenbaren scheint.

Nach den beiden Dilogien "Die hanseatische Familiensaga" und "Die Hamburger Auswandererstadt" ist "Die Nordwind-Saga" die dritte historische Hamburg-Buchreihe von Miriam Georg.
Ähnlich wie in den Romanen zuvor handelt auch diese Dilogie von der Lebenssituation von Frauen, sozialer Ungleichheit, dem Kampf um Gerechtigkeit und Freiheit und einer verbotenen Liebe Anfang des 20. Jahrhunderts.

"Im Nordwind" wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Im Jahr 1913 geht es um Alice, die Mutter der fünfjährigen Rosa ist und sich aus den Fängen einer gewalttätigen Ehe befreien möchte, um ihre Tochter zu schützen. Ihre Wege kreuzen sich mit dem Anwalt John Reeven aus einer gut bürgerlichen Unternehmerfamilie.
Alice kämpft für ihre Freiheit und läuft dabei Gefahr, ihr eigenes Leben zu gefährden und das Sorgerecht für ihre Tochter zu verlieren. John, der einem Jurist entsprechend
sachlich und akkurat agiert, lässt sich unkontrolliert von seinen Gefühlen leiten.
Rückblenden in die Jahre ab 1896 zeigen das Schicksal von Christina, einem Mädchen aus einer Schaustellerfamilie, das an ein Pastorenpaar verkauft wird.

Aus vielen verschiedenen Perspektiven erzählt, erhält man einen umfassenden Einblick in die Lebenswirklichkeit von Frauen und Männern, Arm und Reich, Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts und ein lebendiges Abbild der damaligen Zeit. Die Orte, ob einfache Wohnungen im schmutzigen Arbeiterviertel, die prunkvolle Villa am Feenteich oder die gesundheitsgefährdenden Fabriken in Hamburg, werden leicht vorstellbar und sorgen für eine zum Zeitgeist passende Atmosphäre. Der Kontrast aus Arm und Reich und den unterschiedlichen Erwartungen ans Leben sind eindrücklich dargestellt.

Die Geschichte ist dramatisch und spannend. Die Schicksale sind berührend, der ungewisse Verlauf ihrer Lebenswege, die sich gerade an einem Scheideweg befinden, sorgen für einen anhaltenden Lesesog.
Dabei werden die fiktiven persönlichen Geschichten gelungen mit den vorherrschenden tatsächlichen gesellschaftlichen Problemen verbunden. Es geht um Lügen und Geheimnisse innerhalb der Familien, um Arbeitskampf und Frauenrechte sowie den Kampf um Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben.

Inhaltlich vielschichtig und mit viel Empathie für die handelnden Personen steht dieser Auftaktband den vorigen Bestseller-Reihen in nichts nach - und endet wiederum gemein offen. Um zu erfahren, wie es mit Alice und John, Rosa, Theodor, Blanche und allen anderen (lieb gewonnen) Figuren weitergeht,
 lässt am liebsten gleich zu Band 2 "Im Nordlicht" greifen, der bereits erschienen ist. 

Montag, 17. November 2025

Buchrezension: Ellen Sandberg - Rauhnächte

Inhalt:

„Sie darf das nie erfahren. Du hast es mir versprochen!“ Wie ein Faustschlag trifft dieser Satz die 22-jährige Pia an Heiligabend, als sie ein Streitgespräch ihrer Eltern belauscht. Als sie kurz darauf herausfindet, dass sie mit vier Jahren adoptiert wurde, bricht ihre bis dahin gekannte Welt vollends zusammen. Schon ihr Leben lang fühlte sie sich anders, seltsam fremd, als ob ein Tabu sie umgibt. Nun scheint all das bestätigt. Auf der Suche nach Antworten fährt Pia nach Wasserburg am Inn, dem Heimatort ihrer leiblichen Mutter. Der Raureif hängt tief in den winterlichen Inn Auen und durch das mittelalterliche Städtchen tanzen schauerliche Gestalten, die nach altem Brauch die Geister vertreiben sollen. In den Rauhnächten, so sagt man, drängen alte, gut gehütete Geheimnisse wieder an die Oberfläche. Und je näher Pia der Wahrheit über ihre Mutter kommt, desto enger ziehen die Geister der Vergangenheit ihre Kreise um sie. Bis Pia in tödlicher Gefahr schwebt. 

Rezension: 

Ausgerechnet an Weihnachten erfährt Pia, dass sie nicht die Tochter ihrer Eltern ist. Schon immer hat ihr Warmherzigkeit und Liebe in der Beziehung zu ihnen gefehlt und nun hat sie den Beweis dafür, warum sie sich stets fremd und nicht zugehörig gefühlt hat. Da ihre Adoptiveltern das Schweigen über die Vergangenheit nicht brechen wollen, wird Pia immer neugieriger darauf, was es zu verbergen gibt. Auf der Suche nach der Wahrheit fährt sie in das Dorf Galsterried bei Wasserburg am Inn, wo sie als Kleinkind gelebt hat. Bis auf den Studenten Ansgar reagieren die Bewohner des Ortes feindselig auf die junge Rothaarige. Doch Pia bleibt hartnäckig. Sie möchte nicht nur wissen, wer ihr Vater ist, sondern auch was es mit dem Unfall auf sich hat, bei dem ihre Mutter vor 18 Jahren ums Leben gekommen ist. Ihre Träume und Erinnerungen passen nicht zu dem, was ihr erzählt wird. Pia weiß nicht, wem sie trauen kann und fühlt sich einer unheimlichen Bedrohung ausgesetzt. 

Die Geschichte ist bereits vor über zehn Jahren als Jugendbuch mit dem Titel "Die Flammen flüstern dein Lied" unter dem Klarnamen der Autorin Inge Löhnig erschienen und wurde nun als Roman für Erwachsene neu erzählt und verlegt. 

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen mit Bezug zu den Rauhnächten. In der Gegenwart liegt der Fokus auf der knapp 22-jährigen Pia, die nach Weihnachten beginnt, das Rätsel ihrer Herkunft zu erschließen und dabei in ein Wespennest sticht, das sie in tödliche Gefahr bringt. Die Vergangenheit handelt 18 Jahre zuvor im Januar 2002 und offenbart, was Pia all die Jahre verschwiegen wurde. 

Die Mystik der Rauhnächte, Aberglaube und Hexenverfolgung verbreiten eine düstere, beängstigende Atmosphäre, die zu der frostigen Jahreszeit passt. Geht man zunächst davon aus, dass zum Schutz von Pia ein Familiengeheimnis aufrecht erhalten werden soll, zeigt sich bald, dass noch viel mehr vertuscht werden soll, für das jemand bereit ist, zu töten.
Je mehr Pia über die Vergangenheit und ihre leibliche Mutter in Erfahrung bringen kann, desto wahrscheinlicher scheint, dass diese nicht in der Folge eines Unfalls gestorben ist. Zudem gibt es gleich mehrere Verdächtige, die ein Interesse an ihrem Tod gehabt haben könnten. Dass nun auch Pia auf der Suche nach der Wahrheit in größter Gefahr schwebt, steigert die Spannung. 

Rauhnächte ist ein spannendes Familiendrama um Eifersucht, Verrat und Intrigen, indem sich Verletzungen bis zu blindem Hass steigern. Der Bezug zu Mystik und Schauermärchen vermittelt eine ganz eigene winterliche und gruselige Stimmung, während die Hauptfigur durch die fühlbare Verbindung zu ihren Ahninnen mehr Selbstvertrauen und innere Stärke erlangt. Die Konflikte innerhalb der Familie bleiben jedoch oberflächlich, woran man dem Roman trotz Überarbeitung das Jugendbuch anmerkt. Die Liebesgeschichte ist hintergründig, hätte es aber in einem Erwachsenenroman nicht benötigt.